Peter Rewald

Vater der Reanimation und 1. Vorsitzender des dafür gegründeten Creamcheese e.V. (Juli, 2005) ist der unermüdlich engagierte Peter Rewald, der nach langem Kampf gegen viele Widerstände diese Attraktion und diesen „Markenartikel" zur regelmäßigen Institution aufgebaut hat. Für Rewald, der die Creamcheese-Zeit zwischen 1971-76 zu einem „sehr wichtigen Lebensabschnitt, welcher seine Entwicklung bis heute stark beeinflusst hat", deklariert, begann damit ein frühzeitiger Abnabelungsprozess vom Elternhaus und seine politische Meinungsbildung formierte sich im Creamcheese durch Gespräche mit Älteren oder gemeinsamen Aktivitäten (Friedensdemos) der „Familie" weit über die Club-Besuche hinaus. Er wurde offen für alle Musikrichtungen und möchte „diese Jahre niemals missen". 




               Peter Rewald

Der Reanimation vorangegangen waren „lange Abende an denen Erinnerungen an die verrückten Zeiten, die ein „großer Teil von „uns" vor Jahren im Creamcheese erlebte, austauschten". Man spielte sich gegenseitig „alte Schätzchen" vor und lauschte gemeinsam den vertrauten psychedelischen Klängen. Immer wieder grub einer einen neuen „alten" Song aus, welcher erneut Anekdoten hervor lockte. Aus diesen süßem Nektar speist sich seine Motivation. Die Idee also wuchs, die „alten Zeiten mal wieder richtig aufleben zu lassen" und die erste CRP zu organisieren. Am Samstag erwies er zum wiederholten Mal dem Creamcheese die Ehre. Mit Musik, Inventar und Gästen - so authentisch wie möglich - sollte das einzigartige Feeling für ein paar Stunden wieder aufleben.

Für Rewald und sein quasi-ehrenamtliches Team bedeutet es regelmäßig: 1,5 Wochen Aufbau, Abbau, hohe Kosten und ausreichend Herzblut, um die Attraktion Creamcheese auch vollständig herzustellen. Soll heißen: echte Baumaßnahmen in der gemieteten Halle. Die erhöhte Original-Tanzfläche in der Mitte, darum herum die Kino-Stühle, die beliebte Videowand plus Sitzpyramide, Barrückwand, Flipper in der Ecke, Podeste, Windmaschine und sonstige Devotionalien. Als Perfektionisten sieht er sich nicht, vielmehr sieht er sein Handlungsspektrum im Sinne von "so perfekt wie momentan machbar".


Peter

Dennoch: Schrauben, Bohren, Schwitzen, Ärgern. Rewald legt - soweit möglich - gesteigerten Wert auf 1:1-Adaption, auf absolute Authentizität des „geliebten Creamcheese", was letztlich als Bonmot für alle „Originalen der Ur-Zeit" (ab 1969) gedacht ist inklusive Hommage an den Original-Inhaber Reinert, der sich regelmäßig sehen lässt. Gedacht auch als besonderer Dank an alle, die ihn damals begleiteten und jene, die ihm - und wie er meint - „uns" dieses "Asyl" schufen. Nein, er ist kein Nostalgiker, weiß aber sehr wohl die „alten Dinge oder Erinnerungen zu würdigen".

Die Gäste wissen von diesem Kraftakt wenig. Rewald zahlt auch „meist drauf". Nur in seltenen Fällen sind seine Kosten gedeckt. Er hat einen gewaltigen Kostenapparat (Hallenmiete, Equipment, Versicherungen, Gema-Gebühren, Personalkosten, Neuanschaffungen und Lagerung). Manchmal fragt er sich schon, ob es den ganzen Aufwand wert ist. Aber, wer stünde mit ähnlicher Motivation zur Verfügung, den „Kult" aufrecht zu erhalten, wenn nicht er?

 Reinerts

Hans Joachim Reinert und Lebensgefährtin Anita Wandrey


Das 1976 geschlossene Stück Zeitgeschichte „Creamcheese" war Institution und Gesamtkunstwerk. Gegründet von Hans-Joachim und Bim Reinert - konzeptionell gestaltet vom Bildhauer Günther Uecker, dem Filmemacher Lutz Mommartz und dem Allround-Künstler Ferdinand Kriwet - entstand in der Düsseldorfer Neubrückstraße die für damalige Verhältnisse wohl spektakulärste und originellste Kneipe der deutschen Szene, die nicht lediglich Musik- und Tanzbegeisterte in Ihren Bann zog, sondern auch illustre Gäste wie Joseph Beuys oder Anatol zu ihrem Stamm-Publikum zählen durfte.

Uecker brachte es 1967 auf den Punkt: „Dieser Laden vermittelt den Leuten ein so starkes Erlebnis, dass sie nichts anderes mehr brauchen: Nach einem langweiligen Alltag ein Lokal, dass den Bürger glücklich macht"...Angeregt durch Johann Kuiper fanden gefördert von den damaligen Besitzern diverse Kneipentheater statt. Sogar Frank Zappa & Greg Lake ließen sich gelegentliche Visiten nicht nehmen. Musiker wie die Gruppen `Sweet Smoke` oder `Tangerine Dream` hatten, damals noch total unbekannt, im Creamcheese ihre ersten Auftritte.

Gleich am Eingang überkam jeden das Gefühl, in einer etwas anderen „Disco" zu sein. Das lag nicht nur an den täglichen Avantgarde-Kunstaktionen, also dem Balanceakt zwischen Gastronomie und Galerie, sondern auch am Ambiente. Angefangen bei der Ausstattung, wie etwa einer 20m langen Theke (damals ein absolutes Novum) mit Spiegel-Lamellen Rückwand, den bis zu 24 laufenden Fernsehern, sowie an der zum Podium erhobenen Tanzfläche aus Stahl oder diverser Kunstobjekte wie ein Riesen-Nagel als Objekt von Uecker, machte das Creamcheese wohl zur intellektuellsten Kneipe in der Zeit der End60er.

Das Wichtigste war jedoch die ganz spezielle und Richtung weisende Musik, die überwiegend aus ungewöhnlichen Stücken bestand, die andernorts nicht zu hören waren oder falls doch, im Creamcheese schon lange wieder out waren. Weit über Düsseldorfs Stadtgrenze bekannt stand der Name Creamcheese für progressiven Musiksound. Dies sprach für Individualität, Qualität und vor allem für Inhaltereferenz, ohne kommerzideologisch Massenkonsens herzustellen. Wer damals Gruppen wie Dr. Z, Duffy, Speermüll, Grobschnitt, Carmen, Xit, Neu Steel Mill oder Esperanto kannte, konnte sicher sein, ebenfalls einen „Creamcheese-Gast" vor sich zu haben. Selbstverständlich wurde auch Frank Zappa gespielt, welcher mit seinem schrillen Song: „Suzie Cream Cheese" überhaupt erst den Namen für den Insider-Treff lieferte.

So läuft Avantgarde-Master Zappa also auch heute noch, weil Zappa laufen muss. Eine Hommage an das Genie, weil Zappa einst leibhaftig zugegen war, er, und hier hat man Zeit für ihn - ein undenkbar inkompatibler Umstand in heutigen Lokalitäten, erst recht Tanzlokalitäten.

Zappa 1Zappa 2
Zappa 2Zappa 3

Die ärgerlichen Kollisionen im Veranstaltungswesen durch reizvolle Events, die zeitgleich stattfinden und im Crossover stets einige handvoll Gäste eliminieren, sind jedem Veranstalter ein Verdruss, so auch Rewald. Konkurrenz ist immer auf Zack. Die spannendsten Fragen also: Wie viele Gäste kostet der schöne ärgerliche Fußball? Kommen die noch, oder kippen sie müde im TV-Sessel nach hinten und verlieren sowohl Gleichgewicht als auch Gewissenskampf zuungunsten des Creamcheese? Wird die Familie vollzählig sein? - waren frühzeitig vor entschieden. Sie kamen! Gut 500 Gäste, also Hütte früh voll, Familie vollzählig - sie waren ja in den 60ern ausgiebig vergattert. Allein an diesem Umstand zeigt sich deutlich der Kontrast zu heutiger Ausgehkultur. Früher ging man auch früher raus und nicht erst nach Mitternacht.

Hütte vollHütte voll

Traditionalisten, die sich ihren kurzen Moment Zeitgeschichte gönnen wollten, waren gewiss zahlreich vorhanden, sowie einige gesichtsbekannte lokale "Freaks" und Sondergrößen.

Sondergrößen
SondergrößeSondergrößeSondergröße
SondergrößeSondergröße
Heide obenHeide Mitte
Original „Kostümierungen", teils antikes Gepränge. Gestylte Neoadepten und eiserne „Ur-Retros" in Authentik-Textil zusammen in einem Schmelztiegel.
Heide unten

Die meisten kennen das Creamcheese gut und dafür gehen „gesetzte", aber eben nicht unbewegliche, 50jährige gern noch vor die Tür bzw. durch den Zeittunnel und entscheiden augenscheinlich sogar den Gewissenskonflikt zwischen EM-Quali-Spiel inkl. Einschlummern auf der einen Seite und geliebter Tradition auf der anderen Seite zugunsten des Revival-Tanzspektakels ohne mit der grauen Wimper zu zucken. Der schlimme Konkurrent (Fußball) war also ausgeschaltet, die F-Frage entschieden, Peter Rewald erleichtert und wohlauf!

Videowand

 

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