Welcome Home!"
"Somewhere Else Tour 2007"
Konzert der Prog.-Headliner Marillion,
13.05.07, E-Werk Köln

Marillion
Die Rockband Marillion spielte zum wiederholten mal im Kölner E-Werk und dort gab der bekannte Prog.-Headliner vor diesmal nicht ganz ausverkauftem Hause (ca. 1000 Zuschauer), wieder einmal ein opulentes Konzert. Ihr neues Album "Somewhere Else" wird allseits als „wirklich gelungen" bezeichnet und ihre große "Somewhere Else Tour 2007" geht durch ganz Europa. Heiner Koese

Marillion haben bald 30 Jahre auf dem Buckel und sind mittlerweile eine voll emanzipierte, absolut ausgereifte Band. Sie haben ja schon die fetten Hallen gefüllt, jedoch die aktuellen Konzertdimensionen sind vollkommen ausreichend, um ein Erlebnis herzustellen. Sie sind auch immer eines, gar eine Klasse für sich, nicht zuletzt weil ihre Stilistik nirgends zu kriegen ist. Es wurde auch in Köln wieder viel geboten! Nach heutigen Maßstäben und auf mittlerer Ebene, so kann man guten Gewissens sagen, waren sie sogar recht nah am Glam.

Warum immer E-Werk? Bei der „Marbles-Tour" 2004 hatte Marillion durch den Impuls eines kurzen herzlichen Lachens, einer ganz bestimmten Mimik von Steve Hogarth, welche sich wie ein Blitz auf das aufsaugende, blickgeschärfte Publikum übertrug und sofort wieder Feedback in Richtung Hogarth erzeugte, was in der Folge eine ganze Kettenreaktion an wechselseitigen Emotionen auslöste, welche sich dann aufschaukelnd in einer Dauerromanze zwischen Publikum und Band manifestierten sowie im Endergebnis eine permanent überschwängliche Atmosphäre der Liebe, der Wärme und der Zugaben eines wahnsinnig satten, dankbaren Konzertes erzeugten. Dieser Vorgang lief zeitgleich mit der Phase, in der es für die Band nach ihrer Krise wieder mächtig aufwärts ging. Es ist evident davon auszugehen, dass dadurch die Affinität zu Köln und zum E-Werk geboren wurde. Zwar hat Marillion im erweiterten Kölner Raum (Bonn und sogar Düsseldorf) bis auf die Ausnahme einiger übler Auftritte (Bonn Biskuithalle 1994, ESA - Tag der offenen Tür) schon grandiose Konzerte gegeben, und sie scheinen sich im Kölner Raum verdammt wohl zu fühlen, aber seit besagtem „Schlüsselerlebnis" sind sie ausschließlich im Great-Show-Format im E-Werk aufgelaufen.

Band 2

Nach eigenem Bekunden geht es der Prog.-Vorzeigeband so gut wie nie. Sie machen inzwischen alles selbst (eigenes Label, eigenes Studio, Tourneen in Eigenregie), verdienen mehr Geld als bei EMI und sind auch in ihrem künstlerischen Schaffen so frei wie nie, was dazu führt, dass sie äußerst experimentierfreudig Sounds kreieren können und wollen. Und auch auf der Bühne merkt man es sofort. Sie strahlen eine souveräne Gelassenheit gesetzter Herrschaften, im Falle des stets charismatischen Frontmannes Hogarth ja sogar enorme Lässigkeit, aus, wofür auch ihre schmucken Kostüme oder besser: Dandy-Ausgeh-Röcke aussagekräftig sein könnten!

Sie arbeiten sich nicht linear durch ihr neues Album, die Setlist ist insgesamt eher stimmungsorientiert. Mit Schwung geht es 21.30 Uhr los mit dem Opener, ihrem 1991er „Splintering heart" - das ist mal ein fetter Einstieg und macht zunächst Hoffnung auf wieder progressivere (auch Long-Track-) Ausrichtung. Aber leider in der Folge Fehlanzeige! Na ja, bei ihrem Riesenrepertoire und dem durchaus gemischten Publikum (viele Ältere, hoher Frauenanteil), kann man es sicher nicht jedem recht machen. Ansonsten überwiegend neueres Material. Marillions Sound ist regelmäßig gut, so auch hier wieder einmal fast selbstverständlich klar und differenziert. Keinerlei Verzerrungen, Übersteuerungen und Rückkoppelungen schon gar nicht.

Nominell stehen Marillion für wunderschöne Melodien, dramatische Momente und Melancholie pur. In ihrem neuen Album ist weniger Dramatik enthalten als im langjährigen Gesamtwerk. Leider auch wenig Gitarre, aber trotzdem: eingängige Melodieabläufe und Klangfülle sind definitiv vorhanden. Das neue Marillion-Machwerk ist in der Tat sehr weinerlich angelegt. Dass Hogarth Liebeskummer und wie er meint: „Gefühlschaos" verarbeitet, ist auch hier überdeutlich zu hören sowohl in punkto Weinerlichkeit als auch in den Texten. Der Schmerz einer Trennung und die Absolutismen eines verletzen Raubtieres sind zwar auf dem Album spürbar, aber in der Fröhlichkeit eines Live-Auftritts und im Fan-Taumel davon naturgemäß nicht mehr viel vorhanden. Insbesondere die letzten beiden Songs des neuen Albums - die quälend genölt sind, und für die es Kritik gab, wurden nicht gespielt. Marillion werden wohl Grund gehabt haben?

Hogarth solo

Sie arbeiten sich anschließend über den Zwischenhöhepunkt „thank you whoever you are" - inklusive super Publikumsjubel („welcome home Marillion"), zu "afraid of sunlight" vor. An dieser Stelle wird das gewaltige Hogarth Stimm-Spektrum besonders offenkundig. Dann hält er ungewohnt eine etwas längere Rede über bedauernswert viele tote Opfer in der Welt und "A voice from the past " ist entsprechend emotional angelegt.

Steve Hogarth macht seine Sache wieder einmal verdammt gut, ist in gewohnter Form, glänzt einmal mehr mit darstellerischen Fähigkeiten und weiß seine Mimik auf den Punkt einzusetzen. Sein Reibeisen-Markenzeichen-Gesang ist wieder einwandfrei präsent und er wirkt abgeklärt, souverän, ja einfach glücklich - gleitet slow über die Bühne und smiled seinen Kollegen wissend zu.

 Hog. Perf.Performance
Hogarth 3
                                      Steve Hogarth

Sie gehen in der Folge sogar auf Zuschauerwünsche ein: „Fantastic Place"! Dann das Titelstück: „Somewhere Else"! Unglaublich souveräner Habitus aller Beteiligten. Pathetischer psychedelischer Part mit floyd´schen Anleihen. Publikum steht ruhig und genießt gebannt die Robbie-Williams-lose Zeit (Dieser kann bleiben, wo der Pfeffer wächst). An solcherlei Passage zeigt sich letztlich wieder das Atmosphärische, das Mystische, das Marillion spezifische in naher Abstimmung mit den Lichteffekten (Blautöne). Hogarth nimmt lässig das Megaphon und singt seinen Index-Part in getragener Manier ab.

Hogarth MegaphonHogarth psych

Trevavas

Der tanzwütige Trevavas mit dem Bass ist insgesamt der unruhigere Part, seine Basslinien aber sind stimmig. Drummer Ian Mosley ist rein optisch leider überhaupt nicht wahrzunehmen, er muss aber körperlich anwesend sein, weil ja die Drums erstklassig zu hören sind - nur die Sicht ist versperrt.

Steve Rothery, die Gitarrensäule, der Monolith, ohne den überhaupt nichts laufen würde, glänzt zwar nicht durch furioses dafür durchaus souveränes Slide-Guitar-Spiel, zieht die Gitarre sehr hoch und wieder runter und ist Hauptverantwortlicher für ihre Mystik-Soundscapes. Das Stück „Beautyful" wird geschickt und nahtlos in den Teppich eingewoben.               

                                                           Pete Trevavas

 Rothery Mark Kelly
               Steve Rothery                            Mark Kelly

Es scheint, die reine Prog.-Time ist bei Marillion erst einmal vorbei bzw. zumindest um ein ordentliches Quantum reduziert. Die letzten Konzerte waren immer mit radiotauglicherem Material durchsetzt, man könnte wohl sagen, kommerzieller orientiert. Und so geht das schon eine Weile. Insbesondere ihr groß angekündigtes Weihnachtsüberraschungskonzert von 2005 (natürlich im E-Werk) was als Solches zwar sehr gut, aber eine Idee zu schmusig bis fast kitschig angesetzt, also eher was für die radiopoppige Hymnen-Fraktion war. Das letzte „Totalrepertoire" gab es 2000 im mickrigen Düsseldorfer Tor 3, wo ein erstaunlich und unvermutet gutes Konzert gespielt wurde. D.h. für Köln: Wenig ausschweifende Gitarre und wenig, wie sonst, imposante syntiegeprägte Intros. Also auch von Mark Kellys schnellen und verschachtelten Keyboards ist erst mal nichts zu spüren. Rein quantitativ wird von ihm kein nennenswertes Solo gebracht.

 Rothery tog.

 

>>> 1 | 2