Düsseldorf Kolumne  von Diane Huttner

Diane Huttner



Diane Huttner,Düsseldorfer Oberbürgermeister-
kandidatin, mischt sich ein





Das Ende einer ungeliebten Kultur? - Bauhaie auf der Kiefernstrasse!

Das Politikum und einstiger Unruheherd: die Düsseldorfer Kiefernstraße, ein Relikt vergangener Zeit? Die Kiefernstrasse, in der „böse Autonome" sich einst verbarrikadierten und mit Steinen auf Polizisten schmissen. Das ist Geschichte!

Die Bewohner der Kiefernstraße sind brav geworden, glauben ihr Ziel erreicht zu haben, autonom und in Frieden zu leben. Doch jetzt: „die Bonzen" schlagen zurück, jetzt, 2008! Die Mietverträge der Anwohner laufen aus und werden nicht verlängert. Denn das ist die Zeit, auf die die Bau-Haie gewartet haben. Sie werden diese Autonomen los, diese Kiefernsträßler, da jene sich nicht mehr wehren können oder auch wollen. Der Hintergrund des Wartens ist ein von sehr langer Hand ausgetüftelter Plan.

Am 22.10.2007 fand die Grundsteinlegung des neuen Justizzentrums statt und dieses repräsentativ-moderne Gerichtsgebäude soll nun über die Kiefernstraße gestülpt werden. Das zu erstellende 172 Meter lange Gebäude ähnelt einem Paragrafen-Zeichen, wird rund 60 Mio. Euro kosten und ab 2010 sollen dort Amts- und Landgericht untergebracht werden. Für all deren Mitarbeiter benötigt man natürlich auch Wohnraum, dieser dann unter dem Zeichen des Paragrafen!

Nun also greift der Plan, und man sorgt dafür, dass die Kiefernstrasse frei wird und die Menschen, die jetzt dort leben, in Sozialschließfächer verbracht werden können, in denen sie dann, zweck- und selbstgerecht nach den Vorgaben - zu Preisen des Sozialen Wohnungsbaus und des Wohnungsbaugesetzes -  wohnen „dürfen"!

Dass dabei eine homogene Wohnkultur auf der Strecke bleibt, ist wohlweislich mit einkalkuliert. Den Stadtvätern ist die Kiefernstrasse schon lange ein Dorn im Auge. Dort leben und arbeiten Menschen in einer Art und Weise, die sie nicht akzeptieren wollen oder können. Und hierin steckt der eigentliche Kern? Sie können nicht hinnehmen, dass es Menschen gibt, die sich nicht den modernistischen Verheißungen unterwerfen möchten, die eben keine Lust auf „progressive Stadtentwicklung" ohne kulturellen Humus haben!

Der Zustand der Häuser ist eine Katastrophe. Gut, die Häuser stehen, es ist Jugendstil in einem Ensemble, wie es kaum noch zu sehen ist, bis auf 4 Häuser, die während des Zweiten Weltkrieges zerstört wurden. Die Treppenhäuser haben, genau wie die meisten Fenster, die ersten 100 Jahre schon hinter sich. Es wird mit Kohle oder Öl geheizt - nicht eben Energie sparend. Es Leben Menschen in diesen Häusern und sie Leben gern dort, wollen es auch so, sie haben es sich genau so ausgesucht. Künstler, Handwerker, Arbeiter... ich kann sogar sagen, es sind nette und zufriedene Menschen, nur die Stadtväter wollen sie nicht mehr dort leben lassen. Denn sie wollen die Häuser für die besser bezahlten Gerichtsdiener. Sind Gerichtsdiener etwa zuträglicher?

Also möchte ich einmal konstatieren, wie es voraussichtlich kommt: Bis ende 2008 werden alle Mietverträge der rechten Seite der Kiefernstrasse „nicht verlängert". Links werden sie „gekündigt". Danach erfolgt die Generalsanierung mit dem üblichen Schnick-Schnack, den moderne Wohnungen und deren neue Mieter benötigen wollen.

Die neuen Mieter können dann pünktlich zur Eröffnung des neuen Gerichts einziehen. Die ehemaligen und geschassten Mieter der Kiefernstrasse werden in alle Winde verstreut in die Diaspora, in die Sozialschließfächer. Da richten sie ja auch keinen Schaden mehr an. Dies alles, wenn kein anderer Vorschlag greift.

Mein Vorschlag für die Bewohner der Kiefernstrasse jedoch: Gründet eine Genossenschaft mit dem Ziel, alle Häuser links und rechts der Kiefernstrasse zu kaufen. Diese Häuser stehen nominell ohnehin nur noch mit einem Euro im Grundbuch. Dann möglichst alle Häuser unter Denkmalschutz bzw. Ensembleschutz stellen lassen. Beantragt Fördergelder von der Stadt, vom Land, vom Bund sowie von der EU, so dass die Kiefernstrasse inklusive Bauwagensiedlung in ihrer Lebensform als Gesamtkunstwerk akzeptiert wird.

Es wäre und wird eine große Schande werden, die Kiefernstrasse und ihre Bewohner kaputt zu machen, falls diese Barbaren nicht noch auf die Idee kommen, alle Häuser platt zu machen, um Neue hin zu bolzen. Es geht ja nicht einfach um übliches Bauverhalten der Stadt, um Standardvorgänge. Nein, es geht um mehr! Einmal mehr werden funktionierende Biotope mit einer atemberaubenden Selbstverständlichkeit zerstört, um jeglichen Investoren vermeintlich Repräsentatives zu gestatten! Es wird „Leben" zerstört und durch kalt-abstrakte Funktionsgebäude ersetzt, die in ihre Funktion ja schon längst existieren, also keine echte Innovation darstellen, sondern eine im Grundsatz unnötige Doppelung. Investieren also als Selbstzweck?

Ich habe allerdings noch Hoffnung, dass sich Bürger, die auch so leben und arbeiten sammeln und sich sagen: „das kann mir auch passieren und mich treffen", und sich dann das, was sich ein paar skrupellose Gesellen aus den Vorstands- oder Rathausetagen noch alles einfallen lassen, nicht mehr gefallen lassen, analog dem Lokführerstreik, der in diesem Zusammenhang ein guten Anfang darstellt.

Ihre Diane Huttner