Also nun: Die samstägliche zähflüssig-klebrige, wütende Schleichblechmasse geht ab in den Auto-Freizeit-Samstag, in den Stau, auf die belebten Baumarktparkplätze drängend zwecks behaglichem Vollwertkonzept und abgerundeter Ganzheitlichkeit für die ganze Familie. (Gardinenstangen 1,60 m - bei Bauhaus sehr günstig, 16,95 €). Beim Aussteigen aus dem Auto in Deutschland hat man manchmal Glück: Die Sonne scheint und die Sonnenbrille darf als stummer Diktator auf der Nase reiten oder besser noch: hoch auf den Kopfturm geklappt werden - wo sie modisch bis weit über die Regenphase bleibt.

FreetimeFreetime
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Und: Der samstäglich deutsche Sammelfreizeitbegriff heißt: „mit der Ehefrau Schnöfen gehen". Verkaufsaktion, Spielecke, Baumarktbäckerei als selbst erklärter Begriff von Freizeit. Die ganze Familie im Baumarkt kompensatorisch komplett. Da ist Zeit für alle. Es ist wie Berg besteigen. Die Kletterhilfe anstelle des Taues ist das Portmonee. Es gilt: mit dem dicksten kommt man am weitesten, bis zum Gipfel gar. Der Gipfel ist der Fertigswimmingpool für die Samstag-Nachmittag-Montage oder der echt antike Brunnen aus Kunststoff, der die ersten Kulturschätze aus Asien simuliert. Finanzkauf beim Berater oder Direktkauf mit der Karte, für die, die es „geschafft" haben. Dies alles und die Fahrt ins „Baue" ermöglicht das Auto. Das zu erkämpfende Gut lautet: „Unmittelbar-Parkplatz" eng am Eingangsbereich - nur locker raus huschen, dass das Polohemd nicht leidet beim Freetime-Schlürf zum Hyper-Baumarkt mit Stadtgarten, wo man sich als Individuum selbst bauen kann.

Anders: 55 Autos quetschen sich auf einen kleinen, frühzeitig als vollbesetzt zu entlarvenden, Parkplatz und fahren, obwohl nicht mehr viel frei sein kann, trotzdem rein. Modifikation: 550 Autos quetschen sich auf einen großen, frühzeitig als vollbesetzt zu entlarvenden, Parkplatz und fahren, obwohl nicht mehr viel frei sein kann, trotzdem rein. Zu surreal, um wahr zu sein? Der Versuch, einen „Unmittelbar-Parkplatz" vorm Baumarkt, auf der Kirmes, vorm Schwimmbad, auf dem City-Stadtfest mit Feuerwerk zu finden ist groß. Jedermann strebt naturgemäß in die Mitte zum Haupteingang, immer ins Zentrum des Geschehens. Der Versuch ist es allemal wert! Ins Karstadt- oder Flughafenparkhaus fährt man gemeinsam mit der Schlange, auf den Schildern steht noch nicht einmal rot, sondern: „grün", man roll herein, nach 45 Minuten „cruisen" selbstverständlich kein Platz frei und zwar: keiner! Fazit: Lebenszeit weggepustet!

Szenenwechsel: Gleichzeitiger Angriff auf die Lidl-Parkplätze. Auf diese wird gierig geprescht und Fußgänger fast über den Haufen gefahren, weil man ohne Überhast keine Lebensmittel mehr bekommt. Ein Supermarkt löst offensichtlich einen obligatorischen „Speed-Greif-Reflex" aus - das generelle Bewegungstempo im und um den Supermarkt wird wie von selbst schneller, wenn es zu den Lebensmitteln geht. Das Verhalten mit dem Einkaufswagen weist Analogien zum Straßenverkehr auf. Ebenso im Wochenend-Autotag inbegriffen: Mit der Blechmaschine bis tief in den Wald, auf die Waldparkplätze, in die „herrliche Natur", zu den Pflanzen und Tieren. Herrliche Luft einatmen!

Trotzdem und weitläufig: immer wieder herrscht unter den Automobilisten ungebrochene Faszination, Geschwindigkeitssehnsucht, der Wunsch zum Überwinden der eigenen Natur, der ewige Kampf mit dem unentrückten Selbst, Exhibitionismus und eitles Greifen nach Bewunderung.

Faszinosum
I am
Neid?cruising
                Muss es denn immer gleich Neid sein?

 Neid?
   Intellektuelles Verhungern

Da haben wir ihn, im Profil: glänzende Haare von angenehmer Schwärze (blauschwarz), Scheiteltyp, moderne Soulmusik von „Sade", kalabresische Brauenbögen, Kaugummi, Kaumuskeln auf 150 Kilopont Beißkraft hoch trainiert, Sonnenbrille - ein Protz von Mann. Voll tauglich, am Wochenende in der Diskothek die kaputte Welt zu retten, als Person, als Vollblutheld mit buntem Blouson, Campari in der Hand und stumpfem Gockelgepluster gegen das Establishment. Man sieht ihn wirklich noch, man sieht ihn vereinzelt: Den „Angebertypen", im Cabriolet mit weißen Sitzen und weißen Handschuhen, den Gasgeber-Sportcoupe´-Sonnenbrille-Gestörten. Natürlich klatscht man ihm zu, bewundert seine Geschmeidigkeit und sportliche Eleganz - selbstverständlich ohne Neid. Zweifach typgerechtes Design, Auto und Outfit. Es ist: „Fetisch-Man" reduziert an sozialer Kognition und Wirkungsbewusstsein.

 sunny
                savoir vivre

In der Tat, es muss so sein, sonst lägen andere Werte vor - man wäre dann nicht aus Kitsch, sondern „echter Mann", wie der aus Kaschmir, der mit ausgemergeltem Gesicht den Esel den Berg hoch begleitet, im Erhaltungsstoffwechsel liegend mit schlanken Beinen, ohne weißes Polohemd und ohne sportlichen Bauch-Ansatz vom Tennis im Club. Was macht man, wenn ein Solcher auch noch gern schnell fährt, weil er gern „sportlich fährt", weil er sportlich fahren muss? Und: was macht ER, wenn er nicht kann, aber einen Überhang an PS und Testosteron aufweist? Nicht auszudenken!

Zurück zum Deutschen Freizeit-Samstags-Stau (mitunter mehr Standzeiten als im täglichen Berufsverkehr): Stau-„Kultur" hat sich etabliert. Es ist puristische Unkultur im Verlauf der blechernen Dekaden als Kultur umgedeutet. Sie findet statt an der Ampel, in der Nähe des angesteuerten (Jahr)marktes. Es ist: „Beobachten! - eigentlich, wobei die echte Kunst des Spähens und Sich-Belauerns ohne Preisgabe des Selbst stattfindet, nur aus den Augenwinkeln - an der Ampel, vorsichtig oder manchmal doch plump. Der Stau zur Arbeit am Montag wird seit einigen Jahren schon mit einkalkuliert, auch wenn er 2 Stunden dauert - man hat sich eingerichtet. Lebenszeit wird stets im Stau verbraten. Es sind evolutive Ausuferungen, Autofahren pervertiert, Zweckentfremdung - nicht Fahren, sondern Stehen, gern Stehen, irgendwie! Achtung, Tiefenpsychologen bestätigen: eine „Stehtour" kann als Problemlöser fungieren, da man sich Besinnen und seine „Inseln" besuchen kann - immerhin etwas. 

ZornFlächendeckendes Hauptproblem im pervertierten Kfz-Dasein leider ist: die unbändige Aggressivität. Es wird halt immer enger im rättisch-städtischen Zusammenleben. Die Summe des gesamten Verhaltens beim Autofahren ist das optimale Spiegelbild der Gedanken, der Gesinnung wie auch der hauseigenen Brutalität. Der Tag des Zorns ist jeden Tag und die geballte Aggression der Potentaten kommt sowohl unterschwellig als auch konkret auf der Straße vortrefflich zum Ausdruck. Man kann den fremden Fahrerfeind stets gut erkennen. 

AUTOFAHREN: die Nation zeigt ihre vorzüglichen Charakterzüge, auf der Straße! Der Grundsatzsport lautet: „schnell ans Ziel, ohne Einschränkung" - das ist der Ausgangspunkt einer vollkommen beschleunigten, ja paralysierten Autovilisation. (Schon Goethe hatte als „Früherkenner" lange gewarnt!) Unsere gerade jetzt erhöhte Verantwortung gegenüber Kind, Tier und Umwelt wird dabei nur mäßig beachtet. AUTOFAHREN: Zuerst nur ist da diese Angst, diese ständige Angst, etwas zu verpassen, auf der Strecke zu bleiben, zu verlieren, zu unterliegen gegen den Konkurrenten - ein nervöses sich Belauern, alles aus den Augenwinkeln. Dies könnten Ausläufer des im Ausland zitierten Phänomens, „German Angst" sein, welche sich auch in den Straßenverkehr geschlichen hat. German Angst ist eine Angst die für gewöhnlich lähmt, im Auto zwar beflügelt (Autofahrer drehen adrenalintechnisch ja auf), sich als gesellschaftliches Phänomen an Themen festmacht wie: Atom, Terror, Klima... aber möglicherweise auch kanalisiert beim Autofahren auftritt und dort wirkt, nämlich als Angst, auf der Strecke zu bleiben und es entsprechend umzumünzen in Trotz, Rücksichtslosigkeit und Kampf. Angst bedeutet Kampf und Kampf bedeutet Wehrhaftigkeit, was die Angst noch vergrößert!

Daraus resultierend dann: kleinkriegerische Revieransprüche. „Die Pole Position gehört mir, die geb´ ich nicht ab, niemals - ich bin der Beste!" Heute muss man schnell sein, sehr schnell, äußerst schnell! Schnell Handeln, Parklücke annektieren - schnell; Huschen, Treiben, Beschleunigen, Regeln verletzen. An der Ampel: nervös zuckende Gasfüße allenthalben, akribische Planung der „Angriffsphase", Reagieren auf alle Fußimpulse des Nebenbuhlers (rollt er auch nur ein Fitzelchen vor, sofort „unauffällig" nachziehen) Dann: Grün! Man könnte langsamer als man anfährt, jedoch erst einmal halsstarr preschen, dann aber blockieren, damit man vorne ist und es den anderen „voll gegeben hat" - innerlich natürlich, die beifahrende Ehefrau als verbleibende Moralinstanz bekommt davon nicht immer etwas mit. Zwar möchte man sich auch nicht immer die Blöße geben, aber irgendwie das Duell trotzdem gewinnen. Man kann es vor lauter Missgunst einfach nicht verkraften, den an der Ampel Nebenstehenden den Vorrang zu gewähren und muss unbedingt vor ihm rauskommen.Im Straßenverkehr spielen sich  Rangordnungskämpfe permanent ab.

Zu erheblicheren Aggressionen kommt es auf deutschen Autobahnen, wegen des ständigen Aufeinandertreffens von schnellen und langsamen Kfz´s. Auch (oder gerade) wegen „Kick" und Adrenalin: auf der Autobahn wird von hinten mit Wutfuß getrieben und von vorne blockiert. Verfolgungsjagden, heiße Duelle, dem Anderen, dem bedrohlichen „Konkurrenten" um Platz Eins bloß nichts gönnen, bloß nicht verlieren, immer weit vorne sein - „ich bin der Beste!" Insbesondere Fahrer teurer Autos setzen „schwächere" unter Druck - die drängeln öfter als andere (auch im Bereich Falschparken sind laut Politessen teuere Autos auffälliger). Vor allem bei hohen Geschwindigkeiten erleben viele Fahrer Gefühle von Macht und Können, empfinden Größenfantasien wie: habe das „Kroppzeug" hinter mir gelassen.

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