Mittlerweile ergibt sich ein grandioses Sortiment selbstverräterischer Rücksichtslosigkeiten auf deutschen Straßen und da ist der Umstand: „Blinken gleich Fehlanzeige" in der Gesamtpalette noch einer der harmlosesten. Ebenso zu den eher harmloseren Geschehnissen gehört der Umstand, einen die Spur Wechselnden bloß nicht gewähren zu lassen und schnell Gas zu geben, damit er nicht rüber kann. Der stets nervöse Gasfuß kann mitunter sehr filigran das Pedal justieren. Immer die Regeln brechen - über gelb, über rot, nicht Blinken - schnell noch irgendwo dazwischen. Zur beliebten Maxime schließlich, „Hupen ist leichter als Bremsen", gehört schon eine fette Portion Ignoranz und Skrupellosigkeit - fast wie bei gewissenlosen Straftätern.

Unter dem nicht immer dichten Dach des Strafrechts sind neben preschenden Geld/Zeit-jagenden Taxifahrern auch Busfahrer zu finden, die aus Haltestellenbuchten ausscheren und Vorfahrt mit Rausquetschen verwechseln, nur weil es ein schützendes und von ihnen fehl interpretiertes BGH-Urteil gibt, was originär einen anderen Tatbestand umreißt, als den des Rausquetschens - sie fühlen sich mit ihrem Verkehrsverbund „im Nacken" aber trotzdem sicher und dürfen „Quetschen", so sie meinen. Wesentlich gefährlicher andererseits wird es da schon bei den klassischen „Lieferfahrern" im Transporter. Sie, stets unter Zeitdruck, fahren eindeutig lebensgefährlich, wenn sie,  einen „höheren Auftrag" sich einbildend, dicht auffahrend und jederzeit hitzköpfig-opferbereit durch die Hitze heizen! Auch „Lustige Brummi-Fahrer", die mit ihren Außenspiegeln ca.10 cm am Kopf einer Fahrradfahrerin vorbeischießen, weil auch sie Zeitdruck haben, sind vor lauter Zeitdruck ebenso lebensgefährlich und sitzen von ihrem eigenen perspektivischen Erlebnishorizont her weit oben in der Kanzel, was allein schon hohe Abstraktion zum Menschen „unten" verheißt. Außerdem sind sie ja im "Flow".

Lustige Brummis

Auf der Straße: Unreife, „tiefer gelegte" Bengels und lokale Hip-Hop-Größen, die über Ampeln preschen oder während ihres zappelnd-abrupten Hin-und-Hers im Spurwechsel radikal schneiden ohne Rücksicht auf irgendwas, sind auch nicht zu verachten. Oder wieder andere: Beim Abbiegen nach rechts, mal eben lebensgefährlich den Hund übersehen, mal eben den Radfahrer, mal eben den Kinderwagen. Blinken ist nicht drin - zuviel Aufwand und außerdem zu sehr im Verkehrsflow.

Flow

In der Palette der Machtkämpfe und Halsstarrigkeiten lautet die wichtigste Grundregel der Potentaten: Man darf den anderen nichts gönnen, auf keinen Fall! „Ich will mein Recht." Jeder will „sein Recht": Reiter, Fahrradfahrer, Mütter, Spaziergänger, Schlittenhunde....

Also los! Extra Boykottieren und Blockieren, was das Zeug hält. Bloß dem Hintermann nichts gönnen: „da hat dieser dreckige Hund es tatsächlich gewagt, noch nach mir über die gelbe Ampel zu fahren, den brems ich aus". Bloß nichts dem Vordermann gönnen: „das ist doch wohl die Höhe, dich hol´ ich mir, das ist meine Position!".

Kommt man sich in einer Fahrbahnverengung entgegen und passt nur einer, beide aber wollen, weil beide „der Beste" sind, rasen beide aufeinander zu, unter völliger Opferbereitschaft - kompromisslos, 2 mal Clint Eastwood plus Sonnenbrille, gegenüberliegend, ...im "Ich-bin-der-Beste-Stil" knallen die Außenspiegel aneinander, zerschmettern...kaputt!!...Schuld ist? DIE SAU natürlich!

Clint 1Clint 2

Hirnphysiologisch geht in diesen Fällen Rechthaben vor Vernunft oder etwa der Einsicht: Der andere („Mein Bruder") wird beschädigt, gar schwer verletzt. Rechthaben ist eben der höhere, viel stärkere Reiz. Sie riskieren viel, wenn der harte Wille, den anderen zu besiegen, größer ist. Sitzen sie in wirklich ernsten Fällen einmal im Knast, weil es zu ernsten Vor- und Unfällen kam, heißt es: „hätt´ ich nur, hätt´ ich nur..."

Absonderlich bizarre Fälle wie: „ich bin im Recht, es ist dunkel, der Fahrradfahrer, der da kommt hat kein Licht, also darf ich ihn umfahren, sogar töten - er hat ja kein Licht, er muss aber Licht haben...und weil er kein Licht hat, hab ich das Recht ihn umzufahren"...sind durchaus nicht utopisch. Obwohl man trotz Dunkelheit den Fahrradfahrer genau sieht, kommen solche Gelüste bei entsprechendem Personal opportun zum Vorschein. Schließlich geht es ja nicht um die Sache und Problemlösung, es geht ja ums Recht-Zelebrieren! Ein anderer befremdlicher Sonderfall im Spannungsfeld zwischen Missgunst und Machtkampf einerseits und Mörderaggressionen gepaart mit Triumphempfinden andererseits zeigt sich, wenn ein grobkörniger Presskopf einen kleinen Fehler eines anderen hyänisch ausnutzend, extra Gas gibt, und dabei, obwohl er sieht, dass der andere es nicht ganz über die Straße schafft, an ihn ran jagt: „Ich fahr den über den Haufen - was hat der da zu laufen?". Wenn ein - zwar leider oft im eigenen Interesse - unachtsamer Opa (Grauschädel) die Straße überquert und in beide Richtungen nicht schauen möchte oder kann, ist es nahezu billigstes ordinäres Verhalten, ihn triumphal zu bedrängen bzw. an Leib und Leben zu bedrohen. Solche Fälle sind nur knapp an Idiotie. Bedrohliches Postieren gibt es aber auch gern, wenn anderen kleinere Fehler unterlaufen  (z.B. voreilig in die Kreuzung oder in die Fahrspur fahren). Gleich bäumt sich dann Eisenhans mit steinernem Gesicht und seinem „Kfz-Transformer" vor dem "Deliquenten" auf und blockiert diesen triumphal, weil auch er „sein Recht" nicht aufgeben will, obwohl es die Situation nie bereinigen bzw. niemals das Problem beseitigen würde. Nein, das Aufbäumen selbst ist der sinnliche Genuss, die Krux!

In der Palette der Mörderaggros sind Verfolgungsjagden inklusive einem nachgelagerten Stellen des auf dem Rastplatz anhaltenden „Proletenverbrechers" mit dem Knüppel bis hin zu Schießereien („Du spielst nicht noch mal mit meinem Leben") längst nichts Ungewohntes mehr. Auch der gemeine Taxifahrer (Aushängeschild der Stadt) ist nicht nur für den gefährlichen Fahrgast oder den „geldgierigen Kollegen" mit Schlag- und Schusswaffen obligatorisch gut bestückt. Eine gewisse Sorte Mensch, kommt grundsätzlich und sofort auf 180. Voll „aggro", Armwedeln, Stress, Fäuste, „wat willst Du"..., Kinn schnellt in Nanosekunden ein paar mal hoch! Immer schreien, immer rebellische Töne, auch bei gut Gemeintem voll „aggro", bei jeder Kleinigkeit Schimpfen, Raushechten, Prügeln, aufeinander schießen. Vielfältige Fantasien und Verbal-Aggressionen der Autofahrer zeigen das: "Am liebsten hätte ich eine Kanone auf dem Dach, um die Lkw und Stauverursacher abzuschießen", gab ein Fahrer in einer Studie des TÜV zu Protokoll. "Es geht darum, sich durchzusetzen und sich nicht unterkriegen zu lassen", meinte ein anderer.

Rastplatz
                                         Rastplatz                                sxc.hu

 The Man
Wenn auf der Autobahn ein Fescher von hinten heranzischt und drängelt, weil ihm, dem weisen Philosophen, nicht genug Fahrbahnfreiheit eröffnet wird und er lebensgefährlich einen "Weichen, Nachgiebigigen" regelrecht zur Seite drückt, dann fährt er, nach kurzem Drohen mit der Faust, schnell, mutig und uneinholbar hinfort, nachdem er sowohl Schreck als auch Wut beim anderen erzeugt hat. Was für ein Mann!

Der „konfrontative" Fahrer drängelt, macht von Hupe und Licht stark Gebrauch, lässt sich viel schneller zu Beschimpfungen und Beleidigungen hinreißen. In dieser Gruppe liegt, gemäß Ergebnis von Heidelberger Verkehrsmedizinern, der Männeranteil am Aggressionsquantum bei 70 Prozent. Zwar ist das eine traditionelle Männerdomäne - jedoch sind hysterische Auswüchse mittlerweile auch bei Frauen, den neuen Kampfbiestern, gut verbreitet („warum soll ich mich unterbuttern lassen" - ich bin stark, das passt zu meiner Rolle, wir sind im 3. Jahrtausend!) - ich bin die Beste! Die Duelle um die Geschlechtsteile sind jederzeit in vollem Gange. Prinzipiell sind das alles Fälle für verkehrspsychologische Therapien. Für eine Verbesserung aber müßte man sich voraussetzend erst einmal eingestehen, dass es gewisse Defizite im eigenen Handeln gibt. Von wem will man das Verlangen? Nur von den Stärksten?

In der breiten Palette der Nervenverluste verliert man beim Einfädeln immer die Nerven, in einer Fahrbahnverengung verliert man immer die Nerven - beide (Spurgroßgrundbesitzer und Einfädler) werden schnell und fahren strikt auf die Fahrbahnverjüngung zu - wer verliert? Im Verkehrsleitsystem, wo plausibel eine vernünftige Geschwindigkeit angegeben wird, verliert man immer die Nerven - alle treiben. „Warum 80? - ich kann doch 100 fahren", bis zum Stau! Sieht man einen Unfall, verliert man immer die Nerven: Man muss unbedingt sehen, was passiert ist, fährt langsam und blockiert andere.

Siedlung

   sxc.hu

Am späten Abend (22.45 Uhr) auf dem Nürburgring der Wohnsiedlung: Diese noch gut gefüllt mit Halbstarken, die sich mit vehementem Eigensinn für Ganzstarke halten, und nach dem Üben von Kopfstößen („Dänemännern") am Zigarettenautomaten noch ein bisschen spaßig mit quietschenden Reifen und krachlauter TechnoGehirnPöllerdisco durch die Straßen rasen möchten, weil sie unbesiegbar, Twens und immer gesund sind. Auch sie sind Inhaber von vielschichtigen „Freiheitsrechten". Die Rate, der durch Unaufmerksamkeit verursachten Unfälle und Beinahe-Unfälle, sinkt erst mit dem Alter. Die Risikorate der Gruppe von 18-20 ist mehr als viermal größer als von älteren Gruppen (z.B. ab 35 Jahre). (Seminar aus: Intelligent Vehicular Systems, SS06 - Universität Klagenfurt )

Ältere fahren entsprechend ihres Spektrums langsam und vorsichtig, aber unsicher trotzdem. Ein „Opa" fährt vorsichtig und unsicher, genau wie Frauen? Zwar fahren diese Partien selber langjährig unfallfrei, aber die Unfälle baut ja das Umfeld beim Überholen der ärgerlichen „Schnarchzapfen". Es geht aber nur Überholen, Nötigen wird zur Anzeige gebracht und ist unendlich teuer.

Zurück zu den Frauen. Modern sind sie, die neuen „Alpha-Mädchen", 20-jährig, glatte Haare, stark, resolut, Zigarette und Shakira an, Handy am Ohr, fixe Schaltungen im Gehirn, den Weg zur Party zügig im Griff, eben das Geschöpf des neuen Jahrtausends, so heißt es. Ihr Qualitätsmerkmal: Sie wissen, was sie wollen - jederzeit! Auf dem Amaturenbrett tanzt Alice Schwarzer in psychisch verwirrtem Zustand. Dann schneiden sie, geben Gas, duellieren. Aber auch „Kombi-Mütter" in Kampfsitz und voll beladen preschen feist und überraschend auf die Bürgersteige, ihre Kleinen von Kindergarten/Schule so auffällig wie möglich abzuholen, damit zumindest diese sicher nach Hause kommen, und zwar um jeden Preis. Vereinnahmen, Blockieren, Zelebrieren, Kippe im Maul, Handy am Ohr - „ich bin hier und mein Kind kommt jetzt raus"! (Auch hier gilt der Wahn vom erweiterten Kinderschutz mehr als die allgemeine Vernunft.)



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